Unbegrenzte Energie ohne CO2-Emissionen? Das verspricht die Kernfusion. Doch wie funktioniert diese Technik und was ist der aktuelle Stand der Forschung? Wird der Strom aus der Steckdose schon bald aus einem Fusionskraftwerk kommen?
Was ist Fusionsenergie?
Um zu verstehen, was Fusionsenergie ist, müssen wir uns zuerst mit unserer Sonne auseinandersetzen.
Wir Menschen haben schon vor einiger Zeit erkannt, dass wir unsere Energieprobleme lösen können, wenn es uns gelingt, die Vorgänge in der Sonne nachzuahmen. Denn die Sonne ist im Grunde eine riesige Kernfusionsfabrik, die Wasserstoff in Helium, Helium in Kohlenstoff und so weiter umwandelt.
Bei der Kernfusion handelt es sich um eine der simpelsten und zugleich wirkungsvollsten physikalischen Prozesse. Zwei Atome stoßen zusammen und verschmelzen zu einem einzigen Atom. Dabei werden überschüssige subatomare Teilchen und eine große Menge Restenergie freigesetzt.
Ein Teil der Restenergie stößt weitere Kernfusionen an, was zu einer Kettenreaktion führt. Die übrige Energie können wir Menschen für unsere Zwecke nutzen. Und das ist kurz gesagt die Fusionskraft.
Allerdings ist eine solche Kettenreaktion nicht so leicht in Gang zu setzen. Man muss sehr viel Energie aufbringen, um sie auszulösen. Doch warum ist das so?
Wie wird eine Kernfusion ausgelöst?
Für Kernfusionen kommt als Ausgangsstoff in der Regel Wasserstoff zum Einsatz. Die Atomkerne von Wasserstoff stoßen einander ab, weil sie alle positiv geladen sind. Um diese Abstoßungskräfte zu überwinden, müssen sich die Atomkerne sehr schnell bewegen. Denn wenn sie mit hoher Geschwindigkeit aufeinander prallen, stehen die Chancen gut, dass sie verschmelzen.
Damit die Teilchen sich schnell bewegen, muss man sie stark erhitzen. Im Falle der Kernfusion sind mehrere Millionen Grad Celsius notwendig. Sterne erreichen diese Temperatur durch Ihre enorme Masse. Der Druck in ihrem Inneren ist so hoch, dass die nötige Hitze automatisch entsteht.
Wie funktioniert ein Fusionskraftwerk?
Wenn wir auf der Erde diese Bedingungen nachahmen wollen, müssen wir die erforderliche Temperatur künstlich erzeugen. Bislang gibt es zwei Möglichkeiten, einen Brennstoff so stark zu erhitzen, dass eine Kernfusion ausgelöst wird.
Die eine besteht darin, Wasserstoff in eine ringförmige Vakuumkammer zu leiten. Dort wird der Wasserstoff mit Hilfe eines Magnetfeldes stark beschleunigt. Das Magnetfeld entreißt den Wasserstoffatomen die Elektronen, so dass ein Plasma entsteht. Die Teilchen im Plasma fusionieren dann zu Heliumatomen.
Dieses Verfahren, wird auch als „Tokamak“ bezeichnet. Es soll im Forschungsreaktor ITER zum Einsatz kommen, der gerade in Frankreich gebaut wird. Ein Tokamak-Reaktor kann aber immer nur kurze Energieentladungen erzeugen, dann muss der Prozess neu gestartet werden.
Anders gestaltet sich der Vorgang bei einem Trägheitseinschlussreaktor, auch „Stellarator“ genannt. Bei diesem Verfahren erhitzt ein Hochleistungslaser den Brennstoff, bis der Brennstoff implodiert. In kurzer Zeit ist die Temperatur hoch genug und die Dichte ausreichend, um eine Kernfusion auszulösen.
Auch hier entsteht ein Plasma, das in ein gewundenes Magnetspulensystem eingeschlossen wird. Der Plasmastrom reißt im Normalfall nicht ab, so dass ein Dauerbetrieb möglich ist. Diese Technologie wäre für die Energieerzeugung am besten geeignet, ist aber noch nicht so gut erforscht, wie das Tokamak-Verfahren.
In Deutschland befindet sich an der Universität Greifswald ein Stellarator, der “Wendelstein 7 X“. An diesem wird das Verfahren erforscht und weiterentwickelt. Er gilt als hoffnungsvollstes Projekt auf dem Gebiet der Trägheitseinschlussreaktoren.
Zukunftsprojekt Kernfusion – Ist der Durchbruch bereits gelungen?
Bei aller Euphorie muss man betonen, dass die Nutzung der Fusionskraft sich noch in der Entwicklung befindet. Künstliche Kernfusionen sind zwar möglich. Derzeit ist die dabei verbrauchte Energie jedoch größer als die daraus gewonnene. Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Kernfusion so effizient ist, dass sie sich zur Energiegewinnung eignet.
Daran ändert auch ein im Jahr 2022 von US-Forschern verkündeter Durchbruch nichts. Die Wissenschaftlern richteten einen Laserstrahl auf eine mit Wasserstoff gefüllte Kapsel. Der Laser übertrug eine Energie von zwei Megajoule auf den Wasserstoff, was eine Kernfusion auslöste.
Die Fusion lieferte wiederum 3 Megajoule an Energie. Allerdings mussten für die Erzeugung des Laserstrahls 300 Megajoule eingesetzt werden. Insofern sollte man dieses Untersuchungsergebnis nicht überbewerten.
Welche Vorteile hat die Kernfusion gegenüber der Kernspaltung?
Die Energie zu nutzen, welche Atomen innewohnt, ist nichts Neues. Jeder weiß, was Kernspaltung ist. Hierbei zerteilt man einen großen Atomkern in zwei kleinere Atome. Ähnlich wie bei der Kernfusion werden dabei subatomare Teilchen und eine große Menge Energie freigesetzt.
Obwohl die Kernspaltung ein wichtiger Baustein für eine kohlenstoffneutrale Zukunft sein kann, hat sie einige Nachteile. Sie verursacht viel radioaktiven Müll, der erst nach tausenden von Jahren abgebaut sein wird. Zudem birgt sie technische Risiken, wie es die Atomunfälle in Tschernobyl und Fukushima gezeigt haben.
Viele Staaten nutzen die Kernspaltung auch für militärische Zwecke – Stichwort: Atombombe. Mit den Atomsprengköpfen, die es derzeit gibt, könnten wir unsere Erde mehrfach vernichten.
Im Gegensatz dazu ist die Kernfusion deutlich ungefährlicher. Sie erzeugt weniger Abfälle, die eine geringere Radioaktivität aufweisen und schneller abklingen. Wie bei der Kernspaltung entstehen auch bei der Kernfusion keine Treibhausgase.
Zudem sind Reaktorunfälle nahezu ausgeschlossen. Auch wenn das heiße Plasma aus dem Reaktor austreten würde, müsste man keine Katastrophe befürchten, da es aufgrund seiner geringen Dichte in Sekundenbruchteilen abkühlt.
5 erstaunliche Fakten zur Kernfusion:
- Theoretisch kann man mit Hilfe der Fusionskraft aus einem Kilo Wasserstoff genauso viel Energie gewinnen, wie durch die Verbrennung von 10.000 Kilo Kohle.
- Der radioaktive Müll aus einem herkömmlichen Kernkraftwerk benötigt ca. 50.000 Jahre um so weit abzuklingen, dass er nicht mehr gefährlich ist. Beim Müll aus einem Fusionskraftwerk dauert dieser Prozess nur rund 100 Jahre.
- Das Plasma in einem Tokamak-Reaktor wird auf über 100 Millionen Grad Celsius aufgeheizt.
- Der Forschungsreaktor ITER befindet sich seit dem Jahr 2007 im Bau.
- Der Wasserstoff, der in einen Fusionsreaktor eingeleitet wird, hat eine 100.000 Mal geringere Dichte als die Luft, die wir atmen.
Hat die Fusionsenergie auch Nachteile?
Aber natürlich hat die Fusionskraft auch Nachteile. Bislang ist die Technologie sehr teuer. Allein der Bau des Forschungsreaktors ITER hat bis heute rund 30 Milliarden Euro gekostet. Ursprünglich waren 5,5 Milliarden veranschlagt.
Es gibt auch einige technische Hürden. Beispielsweise müssen die Innenwände des Reaktors die enorme Hitze aushalten. Bisher wird hierfür eine Beschichtung aus Beryllium genutzt. Der Stoff hält aber keiner langanhaltenden Beanspruchung Stand. Für einen dauerhaften Reaktorbetrieb muss noch ein passendes Material entwickelt werden.
Zudem nutzen Tokamak-Reaktoren das Wasserstoff-Isotop Tritium als Brennstoff. Tritium ist ein Abfallprodukt von Atomkraftwerken. Wer denkt, das es deshalb im Überfluss vorhanden wäre, irrt. Der weltweite Vorrat an Tritium umfasst rund 20 kg. Allein der Forschungsreaktor ITER wird für seine 15-jährige Nutzungsdauer circa 70 kg Tritium benötigen. Immerhin können Fusionsreaktoren Tritium zurückgewinnen. Aber auch diese Mengen sind deutlich zu gering.
Aufgrund des hohen Forschungsaufwands, der noch vonnöten ist, bleibt unklar, ab wann die Fusionskraft kommerziell genutzt werden kann. Experten gehen davon aus, dass dies circa um das Jahr 2050 der Fall sein könnte. Für die Energiewende kommt die Technologie somit deutlich zu spät.
Wer entdeckte die Fusionskraft?
Erst im 20. Jahrhundert, nach der Entdeckung der Radioaktivität, kamen Wissenschaftler der Kernfusion auf die Spur. Im Jahr 1904 vermutete Ernest Rutherford noch, dass radioaktiver Zerfall für die Entstehung der Sonnenenergie verantwortlich sein könnte.
Bald darauf entwickelte Albert Einstein seine Theorie der Masse-Energie-Äquivalenz, die in seiner berühmten Formel E=mc2 zum Ausdruck kommt.
Im Jahr 1920 schlug Sir Arthur Eddington vor, dass die Sonnenenergie im Sinne von Einsteins Theorie entstehen könnte, indem Wasserstoffatome zu Helium verschmelzen. Eddington schlussfolgerte, dass dabei Energie in Form von Wärme und Licht abgegeben werden müsste. Er legte damit bereits die wesentlichen Eigenschaften der Kernfusion dar.
Subrahmanyan Chandrasekhar und Hans Bethe entwickelten hierzu ein theoretisches Konzept. Sie berechneten beispielsweise, wie die Fusionsreaktionen in unserer Sonne funktionieren müssten. Das Konzept beschrieb bereits recht genau, was wir heute unter Kernfusion verstehen.
In den 1940iger Jahren stellten Edward Teller, Enrico Fermi und andere Forscher die ersten Entwürfe für eine kontrollierte Kernfusion zur Stromerzeugung vor. Ein Konzept bestand darin, ein Deuterium-Tritium-Plasma, das zur Fusion auf mehrere Millionen Grad erhitzt wird, in ein Magnetfeld einzuschließen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das erste zivile Forschungsprogramm zur Nutzung der Kernfusion im Großbritannien gestartet. Viele Prinzipien der heutigen Kernfusionstechnik basieren auf den damals erarbeiteten Erkenntnissen.
Fazit
Die Fusionskraft ist eine faszinierende Technologie und weckt große Hoffnungen. Eine saubere und nahezu unerschöpfliche Energiequelle ist ein großer Menschheitstraum, der mit der Nutzung der Fusionsenergie Realität werden könnte.
Allerdings gilt es noch viele Hürden zu überwinden. Ob es tatsächlich gelingt, die Fusionskraft irgendwann für die Energiegewinnung zu nutzen, ist noch völlig unklar.
Häufige Fragen und Antworten zum Thema (FAQ)
Ja, Deutschland ist aktiv an der Kernfusionsforschung beteiligt und verfügt über einen Forschungsreaktor. Der Wendelstein 7-X (W7-X), ein experimenteller Stellarator, befindet sich in Greifswald. Er ist einer der größten und modernsten Stellaratoren der Welt. Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und das Karlsruher Institut für Technologie gehören zu den Einrichtungen, die in Deutschland an der Fusionsforschung beteiligt sind. Die deutsche Regierung hat außerdem angekündigt, bis 2028 mehr als 1 Milliarde Euro für die Kernfusionsforschung auszugeben, was das Engagement des Landes in diesem Bereich unterstreicht.
Die Fusionsenergie hat das Potenzial, eine erhebliche Menge an Strom zu erzeugen. So soll allein der ITER-Reaktor, bei welchem es sich lediglich um einen Forschungsreaktor handelt, künftig in der Lage sein, 500 Megawatt Fusionsenergie zu erzeugen. Das entspricht der Größenordnung eines durchschnittlichen Gas- oder Kohlekraftwerks. Künftige Fusionsreaktoren sollen aber Leistungen im Gigawattbereich erzielen.
Das Energiepotenzial der Fusionsreaktion ist allen anderen uns bekannten Energiequellen überlegen, da bei der kontrollierten Verschmelzung von Atomen fast vier Millionen Mal mehr Energie freigesetzt wird als bei der Verbrennung von Öl oder Gas und vier Mal mehr als bei der Kernspaltung.
Die genaue Menge an Strom, die ein Fusionsreaktor erzeugen könnte, hängt jedoch von der spezifischen Konstruktion und den technologischen Fortschritten ab. Während die Fusionsenergie die Aussicht auf eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle bietet, stellt sie die Ingenieure auch vor große technische Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.
Aktuell geht man davon aus, dass man mit 10 bis 15 Fusionsreaktoren (mit je einer Leistung von 2 bis 3 Gigawatt) ganz Deutschland mit Strom versorgen könnte, ohne auf andere Energiequellen, wie Kohle, Gas, Öl, Solar- oder Windkraft zurückgreifen zu müssen. Hierbei handelt es sich aber nur um eine erste Schätzung. Wie viele Reaktoren man tatsächlich benötigen wird, hängt vom technischen Fortschritt ab.
Die meisten Experten sind sich einig, dass die kommerzielle Fusionsenergie wahrscheinlich nicht vor 2050 zur Verfügung stehen wird.
Eine kleine Zahl von Forschern sehen allerdings bereits die frühen 2030er Jahre als möglichen Zeitrahmen. Ein US-amerikanisches Kernfusionsprojekt zielt beispielsweise darauf ab, Anfang der 2030er Jahre zur Kommerzialisierung bereit zu sein. Ein in Massachusetts ansässiges Unternehmen geht sogar davon aus, dass sein Demonstrationsreaktor 2025 betriebsbereit sein wird, wobei ein kommerzielles Fusionskraftwerk in den 2030er Jahren ans Netz gehen könnte.
Doch der unter Experten allgemein akzeptierte Zeitplan lässt vermuten, dass die Fusionsenergie erst lange nach 2050 kommerziell genutzt werden kann.
Bei der Kernfusion werden weder CO2 noch andere schädliche Stoffe freigesetzt. Das wichtigste Nebenprodukt ist Helium, ein inertes, ungiftiges Gas. Es entstehen auch keine langlebigen radioaktiven Abfälle. Die Strahlung der Abfälle wäre nach rund hundert Jahren komplett abgeklungen. Außerdem besteht bei der Fusion nicht die Gefahr einer Kernschmelze. Die im Reaktor vorhandene Brennstoffmenge reicht jeweils nur für wenige Sekunden, so dass die Reaktion stoppt, wenn das Plasma abkühlt, was wiederum in Sekundenbruchteilen geschieht. Daher gilt die Kernfusion als eine der umweltfreundlichsten Energiequellen.
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Quellen und weiterführende Literatur:
- Raeder, Jurgen/Kurt Borrass/Rolf Bunde/Wolfgang Danner/Rolf Klingelhofer/Lajos Lengyel/Fritz Leuterer/Matthias S\Xf6Ll: Kontrollierte Kernfusion: Grundlagen ihrer Nutzung zur Energieversorgung (Teubner Studienbücher Physik) (German Edition), 1981. Aufl., Teubner Verlag, 2012
- Plöger, Sven/Andreas Schlumberger/Von Eckart Hirschhausen/Kira Hermann Vinke: Zieht euch warm an, es wird noch heißer!: Vollständig aktualisierte Neuausgabe mit den zusätzlichen Schwerpunkten Wasserstoff und Kernfusion, 1. aktualisiert und erweitert, Westend, 2023
- Schneider: ITER: Kernfusion verspricht ewige Energie, GBI-Genios Verlag, 2015
- https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/nachhaltigkeit/kernfusion-fusion-sonne-energie-kraftwerk-102.html
- https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/faq/fusion-energiequelle-der-zukunft.html
- https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/fusionsenergie/
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