Wir zählen das Jahr 1350. Erik, ein junger Seemann aus Lübeck, steht an Deck des Hanse-Schiffes “Adler”. Das Schiff ist mit Waren aus fernen Ländern beladen: Gewürze, Seide, Edelmetalle und vieles mehr. Erik ist aufgeregt, denn es ist seine erste Reise als Seemann.
Die “Adler” sticht bei günstigem Wind in See. Erik und seine Mannschaft segeln an der ostdeutschen Küste entlang, vorbei an malerischen Städten wie Rostock und Wismar. Doch schon bald verlassen sie die vertrauten Gewässer und fahren hinaus auf das offene Meer.
Auf solch abenteuerliche Reisen begaben sich damals viele junge Männer, denn es war die Zeit der Hanse. Die Hanse, auch bekannt als Hansa, war ein Handelsbündnis europäischer Kaufmannsgilden und Handelsstädte. Der Bund bestand vom Spätmittelalter bis in die frühe Neuzeit. Wir betrachten in diesem Artikel, warum die Hanse so erfolgreich war und welche Umstände dennoch zu ihrem Niedergang führten.
Der Aufstieg der Hanse
Der Bund ging aus verschiedenen losen Zusammenschlüssen deutscher Kaufleute und Städte hervor, die sich zur Förderung gemeinsamer Handelsinteressen zusammenschlossen, wie z. B. zum Schutz vor Raubüberfällen.
Eines der frühesten und mächtigsten dieser Bündnisse konzentrierte sich auf die heutige Stadt Lübeck. An der Ostsee gelegen, entwickelte sich Lübeck zu einem Knotenpunkt für den Handel zwischen Ost- und Nordsee.
Im Laufe des 13. Jahrhunderts wuchs der Einfluss der Kaufmannsbünde in den deutschen Küstenregionen. Weitere wichtige Handelsstädte wie Hamburg, Bremen und Rostock traten dem noch recht lose organisierten Handelsgeflecht bei.
Die verschiedenen Handelsbünde wuchsen schließlich zu einem Netz von Kooperationsstädten mit gemeinsamen Zielsetzungen, einheitlichen Schutzmechanismen und Handelswegen zusammen. Die Einrichtung von Kontoren (Handelsposten) in großen Städten wie Brügge, London, Nowgorod und Bergen ermöglichte einen gut organisierten und sicheren Handel über viele Landesgrenzen hinweg. Die Hanse war somit geboren.
Vom 13. bis zum 15. Jahrhundert beherrschte die Hanse die Handelsaktivitäten in ganz Nord- und Mitteleuropa. Ihr Schwerpunkt erstreckte sich über sieben heutige europäische Länder: von Estland im Nord-Osten bis zu den Niederlanden im Westen und Krakau in Polen, im Süden.
Zu den Stärken der Hanse gehörten der zügige Informationsaustausch und ausgeklügelte Zahlungsmechanismen.
Und wenn etwas nicht funktionierte? Dann gab es immer noch die Möglichkeit, rohe Gewalt anzuwenden. Im Jahr 1400 bekämpfte die Hanse erfolgreich die Piratenflotte von Klaus Störtebeker, die den Handel in der Nordsee störte.
Die Struktur der Hanse
Im 14. Jahrhundert zählte der Bund etwa 100 Städte – zumeist deutsche – zu seinen Mitgliedern. In ihrer Blütezeit im 15. Jahrhundert umfasste die Hanse über 200 Städte, vor allem im Ostseeraum und im Binnenland bis zur Linie Köln-Erfurt-Krakau.
Wenn Städte der Hanse beitraten, war das in erster Linie durch wirtschaftliche Erwägungen motiviert. Vermutete eine Stadt einen finanziellen Vorteil, unternahm sie große Anstrengungen, sich dem Bund anzuschließen.
Die Kaufleute und Städte, welche der Hanse beitraten, mussten regelmäßig eine Gebühr entrichten. Daneben fielen weitere hohe Zahlungen an. So mussten Beamte mit Bestechungsgeldern überzeugt werden. Wenn gegnerische Kräfte den Einfluss der Hansestädte bedrohten, war zudem die Finanzierung von Kriegen notwendig.
Als die Städte begannen, sich einheitlicher zu organisieren, schufen sie ein zentrales Gremium, den sogenannten Hansetag. Der erste Hansetag trat 1356 in Lübeck zusammen. Auf diesen Versammlungen, die bis 1669 regelmäßig stattfanden, diskutierten die Delegierten der Hansestädte über Handelsverträge, die Aufnahme oder den Ausschluss neuer Mitglieder, die Verwaltung der Handelsrechte sowie Sanktionen und Wirtschaftsblockaden, die gegen Städte und Länder verhängt wurden, welche gegen die Interessen der Hanse agierten.
Die politische und militärische Macht der Hanse
Die Hanse war zwar in erster Linie eine Handelsorganisation, verfügte aber auch über erhebliche politische und militärische Macht. Der Bund versuchte, den inneren Frieden aufrechtzuerhalten, indem er Kriege zwischen den Mitgliedsstädten, Unruhen innerhalb der Städte und Straßenraub so weit wie möglich unterband.
Der Aufstieg der Hanse minderte zudem die Macht vieler Landesherren. In der Mitte des 14. Jahrhunderts begann die Hanse, in gewisser Weise einem eigenen Herrschaftsgebiet zu ähneln.
So setzten sich die Hansestädte in einem Krieg gegen den dänischen König Waldemar IV. Atterdag durch. Dieser hatte die hanseatischen Privilegien angefochten und die Ostseeinsel Gotland mit der Hansestadt Visby eingenommen. Nach seiner Niederlage im Jahr 1370 zwang die Hanse ihn zum Abschluss des sogenannten Friedens von Stralsund. Die Hanse konnte so die Macht in ihrem stetig wachsenden Handelsgebiet weiter festigten.
Die zehn wichtigsten Städte der Hanse
Wie bereits erwähnt, bestand die Hanse in Ihrer Blütezeit aus rund 200 Städten. Nachfolgend sind die zehn wichtigsten historischen Städte der Hanse aufgelistet:
- Lübeck gilt weithin als die Geburtsstätte der Hanse. Als eines der führenden Mitglieder diente sie als wichtiger Handelsknotenpunkt zwischen Nord- und Westeuropa. Aufgrund ihrer strategischen Lage an der Ostsee wurde die Stadt ein wichtiges Zentrum für den Austausch von Waren und Informationen.
- Hamburg, eine weitere bedeutende Hansestadt, spielte ebenfalls eine wichtige Rolle bei den Aktivitäten des Bundes. Ihr großer Hafen erleichterte den Handel mit allerlei Waren und diente als wichtige Verbindung zwischen Nord- und Ostsee.
- Das an der Weser gelegene Bremen war unter anderem bekannt für seinen Textil- und Weinhandel. Die Stadt war ein wichtiges Mitglied der Hanse und trug zu deren wirtschaftlichem und politischem Einfluss bei.
- Das am Rhein gelegene Köln war ein weiteres wichtiges Handelszentrum. Die Mitgliedschaft in der Hanse stärkte die wirtschaftlichen Beziehungen der Stadt und ermöglichte ihr den Handel mit verschiedenen europäischen Regionen.
- An der norddeutschen Küste gelegen, handelte Rostock vor allem mit Getreide und Holz. Die Stadt war entscheidend für die Ausdehnung der Hanse entlang der Ostseeküste.
- Danzig (Gdask) an der südlichen Ostseeküste war der Dreh- und Angelpunkt für den Handel mit weiter östlich gelegenen Regionen. Die Lage der Stadt ermöglichte den Zugang zu wertvollen Ressourcen wie Bernstein und anderen Waren aus dem Baltikum.
- Als Schwedens Hauptstadt und wichtiger Ostseehafen hatte Stockholm durch seine Mitgliedschaft in der Hanse Zugang zu einem ausgedehnten Handelsnetz, was dem wirtschaftlichen Wachstum und dem Einfluss der Stadt zugutekam.
- Obwohl sie keine traditionelle Hansestadt war, unterhielt die russische Stadt Nowgorod enge Handelsbeziehungen zur Hanse. Diese Verbindung verschaffte der Hanse Zugang zu wertvollen Waren aus dem Osten, wie etwa Pelzen und anderen Produkten.
- Das in Norwegen gelegene Bergen war ein bedeutendes Handelszentrum für die Hanse und den gesamten skandinavischen Raum. Die Mitgliedschaft ermöglichte den Austausch von Waren wie Fisch, Holz und Mineralien.
- Auch das an der Nordsee gelegene Brügge (Belgien) war ein wichtiger Handelspartner für die Hanse. Die Stadt diente als Knotenpunkt für den Handel zwischen Nord- und Südeuropa, wodurch sich die Reichweite der Hanse weiter vergrößerte.
Der Niedergang der Hanse
Als sich das politische Umfeld änderte, begann der Niedergang der Hanse. In der frühen Neuzeit festigten sich die monarchischen Herrschaftssysteme auf Kosten der freien Städte.
Die Herrscher von Dänemark, den Niederlanden und Russland gewannen an politischer Macht und bedrohten das Handelsmonopol der Hansestädte.
Auch den deutschen Landesherren war das politische Gewicht des Handelsbunds zunehmend ein Dorn im Auge. Viele Fürsten zwangen innerdeutsche Hansestädte den Bund zu verlassen. Zur gleichen Zeit bauten die Engländer und Niederländer ihre wirtschaftliche Präsenz im Ostseeraum aus. Die Hanse sah sich nun einer starken Konkurrenz gegenüber.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts gewann zudem der Handel mit Übersee an Bedeutung. Doch die Hanse nahm an diesem nicht teil und hielt lieber an ihren traditionellen Privilegien fest.
Auch die Wirren des Dreißigjährigen Kriegs setzen der Hanse zu. Viele Handelswege waren abgeschnitten, einstige Verbündete wurden zu Gegnern.
Schlussendlich war das mittelalterliche Bündnis aus Kaufleuten und Städten den wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen der Neuzeit nicht mehr gewachsen.
Als Vertreter der Hanse 1669 letztmalig in Lübeck zusammenkamen, bestand sie aus weniger als zehn Städten.
Fazit
Die Hanse war ein mächtiges und einflussreiches Wirtschafts- und Verteidigungsbündnis. Der Einfluss der Hanse auf die mittelalterliche und frühneuzeitliche Welt kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn sie legte den Grundstein für die wirtschaftliche und kulturelle Integration Nordeuropas.
Ihre historische Bedeutung und ihr anhaltender Einfluss auf Handel und Gewerbe machen die Hanse zu einem faszinierenden Studienobjekt für Historiker, Ökonomen und Wissenschaftler der internationalen Beziehungen.
Häufige Fragen und Antworten zum Thema (FAQ)
Der Begriff “Hanse” geht auf das althochdeutsche Wort “Hansa” zurück, welches „Gefolge”, “Schar” oder “Gruppe“ bedeutet.
Lübeck gilt als die älteste Hansestadt. Die Stadt an der Ostsee wird deshalb auch “Königin” und “Mutter der Hanse” genannt.
Neben den deutschen Hansestädten gab es in vielen anderen Ländern Städte, welche der Hanse angehörten. Heute befinden sich diese Städte auf dem Gebiet folgender Staaten: Belarus, Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Island, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Russland und Schweden.
Aktuell tragen 27 deutsche Städte den Beinamen „Hansestadt“. Hierbei handelt es sich um Lübeck, Hamburg, Bremen, Rostock, Wismar, Stralsund, Greifswald, Anklam, Demmin, Lüneburg, Salzwedel, Gardelegen, Havelberg, Osterburg, Werben, Seehausen, Stade, Stendal, Wipperfürth, Warburg, Attendorn, Breckerfeld, Medebach, Korbach, Herford, Buxtehude und Uelzen.
Historisch gab es jedoch rund 100 deutsche Hansestädte. Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands nahmen viele frühere Hansestädte in Ost- und Westdeutschland die Bezeichnung „Hanse“ wieder in ihren Namen auf. Nur Lübeck, Bremen und Hamburg tragen diesen Beinamen bereits seit 1949.
In Deutschland tragen derzeit 7 Städte ein H (für Hansestadt) im Autokennzeichen. Hierzu zählen Hamburg (HH), Bremen (HB), Lübeck (HL), Rostock (HRO), Wismar (HWI), Stralsund (HST) und Greifswald (HGW). Alle weiteren 20 deutschen Hansestädte verzichten bisher auf ein H im Autokennzeichen.
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Quellen und weiterführende Literatur:
- Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, 01.01.2014.
- Pichierri, Angelo: Die Hanse — Staat der Städte, in: VS Verlag für Sozialwissenschaften eBooks, 01.01.2000
- Behrmann, Thomas: Herrscher und Hansestädte : Studien zum diplomatischen Verkehr im Spätmittelalter, in: Kovač eBooks, 01.01.2004
- https://www.planet-wissen.de/geschichte/mittelalter/hanse/index.html
- https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Die-Geschichte-des-Staedtebundes-Hanse,hanse30.html
- https://www.hanse.org/de/staedtebund/die-mittelalterliche-hanse
Beitragsbilder: Nachbau einer Hanse-Kogge – flickr.com – yetdark, CC BY-SA 2.0
Vielseitig interessierter und leidenschaftlicher Autor zu Themen, wie Geschichte, Philosophie, Technik, Wirtschaft, Literatur uvm.